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Der Zerfall der DDR und seine Lehren

Die DDR hatte sicher einige Vorzüge. Die Betriebe, Bauten, Land und Boden waren nicht mehr Privateigentum. Die Regierung hatte das Ziel, eine friedliche Politik zu führen und zum Wohlstand und zur Kultur und Bildung des Volkes möglichst gute Bedingungen zu schaffen. Viele Menschen unterstützten die Ziele der Sozialisten und kümmerten sich in hohem Maße um andere Menschen. Einen Egoismus, wie wir ihn jetzt erleben, gab es damals noch nicht. Arbeitslosigkeit, Obdachlose und Bettler waren völlig unbekannt.

Auf der anderen Seite konnte nicht jeder studieren, was er gerade wollte, sondern nur das, wofür auch ein volkswirtschaftlicher Bedarf da war. Apfelsinen und Bananen gab es ganz selten und Reisen ins westliche Ausland gar nicht.
Hinsichtlich der Autoproduktion hatte die Parteiführung politisches Geschick völlig vermissen lassen. Die Fertigung von Trabant und Wartburg wurden nicht modernisiert und gegen die inzwischen auf über 10 Jahre angewachsene Wartezeit für ein Autokauf fiel der Regierung auch nichts ein. Die Konstanz der Preise wurde zum Dogma, an dem keiner rühren sollte. Trotzdem hatte sich der normale DDR-Bürger mit der Situation abgefunden. Viele versuchten durch Beziehungen zu den besonders gefragten Waren zu kommen, wie Ferienreisen an die Ostsee, Farbfernseher, Autos oder Material fürs Eigenheim. Leider waren oft die Chefetagen in den Betrieben und in Partei und Regierung auch in solchen besonderen Versorgungsringen. Damit entstanden Privilegien. Leider war die Führung bereits moralisch so weit gesunken, dass sie dieses Übel gar nicht erkannten.

Trotzdem bin ich der Meinung, dass die materielle Situation der DDR-Bürger nicht die Ursache für die entstehende revolutionäre Situation war. Auch die Überschuldung der DDR-Volkswirtschaft war kein Problem. Oft wird es so dargestellt, als sei die DDR-Wirtschaft am Ende gewesen, was aber überhaupt nicht der Fall war.

Das Entstehen der revolutionären Situation habe ich 1988 und 1989 genau verfolgt. Plötzlich interessierten sich ganz normale Bürger für die Politik. Sie schauten genau hin und nahmen der Partei, die kleinen Lügen, mit denen die Missstände verschleiert werden sollten, nicht mehr ab. Sie maßen die Politik der DDR-Führung an ihren eigenen Aussagen.

So wurde auch in der DDR regelmäßig gewählt. Allerdings wurde die Verteilung der Sitze in den örtlichen Organen bis hin zur Volkskammer zwischen den Parteien schon vorher festgelegt. Und wer auf die besten Listenplätze kam, wurde in den einzelnen Parteien der DDR (Bauernpartei, Liberale, CDU, Nationale Demokraten und Sozialisten) entschieden. Der Bürger hatte dann nur noch die Wahl zwischen Zustimmung und Ablehnung. In der Wahl 1989 gab es bereits viele Nein-Stimmen, wahrscheinlich so 2% bis maximal 6% in extremen Wahlbezirken. Die Auszählung war öffentlich und wurde dieses Mal von aufmerksamen Bürgern genutzt, um die Zahl der Gegenstimmen zu notieren. Allerdings wetteiferten die örtlichen Parteisekretäre dann um möglichst gute Ergebnisse und reduzierten beim Weitermelden einfach so die Nein-Stimmen. Die Bürger staunten nicht schlecht, dass am nächsten Tag weniger Nein-Stimmen in den Zeitungen genannt wurden, als sie selbst vor Ort gezählt hatten. Dieser völlig unnötige Wahlbetrug spielte bei der weiteren Delegitimierung der Führung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Und leider ließ auch hier die Parteiführung wieder jedes politische Geschick vermissen. Keiner kam auf die Idee, die Lügnern zu suchen und zu bestrafen, weil alle schon zu tief in dem gegenseitigen Belügen und Bevorteilen verhaftet waren.

Es kamen weitere schlimmere Sachen und wieder reagierte die Parteiführung nicht, sondern versank zunehmend in Agonie. Die Macht fiel auf die Straße, wie 1918 schon einmal, als der Kaiser abdankte und Räte das Geschick in die Hand nahmen. Dieses Mal versuchten die aktiven DDR-Bürger die Situation zu nutzen, um den Sozialismus demokratischer und gerechter zu machen. Sie wurden zu den bestimmenden Element der kleinen Revolution von November 1989 bis März 1990. Sie organisieren die Runden Tische und forderten jetzt genaue Rechenschaft von der Regierung. Allerdings reicht die kurze Zeit nicht für einen Neuanfang.

Auch die Herrscher im Westen sahen ihre Chance und nutzten sie. Nach der unseligen bedingungslosen Öffnung der Grenzen versorgten sie die anreisenden DDR-Bürger mit Begrüßungsgeld und Bananen. Helmut Kohl ließ sich in der DDR feiern und versprach westdeutschen Wohlstand und Westgeld für alle. Mit ihm kamen viele Deutschlandfähnchen an Bambusstäben ...

Nach der schnell aufgerufenen freien Wahl war die Sache entschieden und die Übernahme des Volkseigentum durch die jeweils gierigsten Kapitalisten konnte nun anfangen.

Die DDR ging meiner Meinung nach unter, weil das moralische Niveau sowohl der Parteiführung als auch der ganzen Bevölkerung zu tief abgesunken war. Dadurch mussten die so hochwertige Form der gesellschaftlichen Beziehungen, wie sie im Sozialismus erforderlich ist, zerbrechen und das Volk fiel eine ganze Ebene tiefer in die kapitalistische Barbarei, in der Lügen und Kriege nun mehr der Normalfall sind. Leider muss ich beobachten, dass auch jetzt der moralische Verfall noch weiter fortschreitet. Somit laufen wir wieder in die Gefahr, dass auch die jetzige Form der Gesellschaft noch weiter zerfallen wird.